Das IOC dürfe nicht in die Autonomie von internationalen Verbänden eingreifen, auch wenn deren Maßnahmen gegen die IOC-Charta verstießen, hieß es in der Urteilsbegründung des CAS. Die Starterlaubnis des Athleten »beschädigt die Winterspiele und ihren Geist«, schimpfte der Vorsitzende der Welt-Anti-Doping- Agentur WADA, Dick Pound vor der IOC-Vollversammlung.

Der norwegische Athletenvertreter Olav Koss sprach von einer »unglaublichen Situation«. Er sei »sehr enttäuscht« vom CAS-Urteil, wir wollen »doch saubere Athleten bei den Spielen«. Thomas Bach, der von IOC-Präsident Jacques Rogge beauftragt wurde, eine Regeländerung vorzubereiten, wusste, »dass der Fall kritisch ist«. Für den Vorsitzenden der Juristischen Kommission des IOC war klar: »Nach der Rechtslage hat das IOC leider keine Möglichkeit, in die Entscheidungen eines Verbandes einzugreifen.« Mit der Regeländerung will sich das IOC die juristische Möglichkeit verschaffen, gegen Fälle wie Prusis erfolgreich vorzugehen.

Dafür konnte das IOC fast zeitgleich in einer anderen Doping- Affäre einen sportpolitischen Erfolg vorweisen. Unter dem Druck des IOC ist nun auch das Nationale Olympische Komitee der USA (USOC) auf eine harte Linie gegenüber dem Leichtathletik-Verband des Landes (USATF) eingeschwenkt. Damit war auch die Wahl von USOC-Chefin Sandra Baldwin in das IOC gesichert. Falls der USATF das Geheimnis um einen gedopten US-Leichtathleten, der trotz positiver A- und B-Probe bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney an den Start gehen durfte, nicht lüftet, drohen harte Sanktionen. »Dies könnte auch der Ausschluss aus dem USOC sein«, erklärte IOC-Generalsekretär Francois Carrard.

Trotz der Niederlage aus formalen Gründen vor dem CAS fühlte sich das IOC als moralischer Gewinner des Prusis-Verfahrens. Das IOC durfte die vom Internationalen Bob-Verband (FIBT) verhängte dreimonatige Sperre gegen den 36-jährigen Piloten wegen Nandrolon- Dopings nicht verlängern und ihn von den Winterspielen ausschließen, urteilte das CAS. Dennoch zeigte es explizit Verständnis für die Position des IOC, die mit seiner konsequenten Anti-Doping-Kampagne übereinstimme.

Gleichzeitig kritisierte das CAS die FIBT und stellte fest, dass der Drei-Monats-Bann die Rechtsprechung des Sportgerichtshofs auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel ignoriere. Prusis Sperre läuft nun am 9. Februar ab. Die Zweierbob-Konkurrenz wird am 16./17. Februar entschieden.

»Als »fair und gerecht« hat die Führung der lettischen Olympia- Mannschaft die Starterlaubnis für Sandis Prusis bezeichnet. Der Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Aldonis Vrublevskis, meinte zur Entscheidung des CAS: »Gerecht, weil sie ihm die vorher entzogene Teilnahme an Olympia wieder ermöglicht. Fair, weil man niemanden wieder schuldig sprechen darf, nachdem er seine Strafe abgesessen hat.«

Kaum eine Chance dürfte nach dem jüngsten CAS-Entscheid der US- Bobfahrer Paul Jovanovic mit seiner am Mittwoch beginnenden Berufungsverhandlung vor dem Sportgericht in Salt Lake City haben. Der Anschieber des zu den Favoriten zählenden Todd Hays war im vergangenen Dezember der Einnahme des Anabolikums Norandrostendion überführt und für neun Monate gesperrt worden. Jovanovic begründete das positive Testergebnis mit der Einnahme verunreinigter Nahrungsergänzungsmittel und berief sich bei seiner Berufung auf den Prusis-Fall. Doch gerade bei dem Letten hatte das CAS die unzureichende Kürze des Banns angeprangert.