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09. Juli 2001

Für manche Kommune ist es billiger, die Brunnen zu aktivieren

Bis 2010 gehen die ersten Talsperren vom Netz /
Zweckverbände sollen fusionieren

Von Redaktionsmitglied Matthias Thüsing

Still ruht der See: In der Ohra-Talsperre stauen sich Millionen Kubikmeter Trinkwasser. Die Qualität ist gut aber, der Preis ist zu hoch. Die Fernwasserzweckverbände verkaufen immer weniger Talsperren- Wasser.

  Idyllisch liegt der künstliche See in der Landschaft. Wanderer rasten am Ufer oder blicken von der Staumauer herab. "Thüringen ist ein Wasserland" heißt es im zuständigen Umweltministerium. Und während sich Touristen an dem Reichtum erfreuen, bereitet es dem Freistaat ernsthafte Probleme, das kühle Nass gewinnbringend zu vermerkten. Die romantische Ohra-Sperre ist dabei nur ein Teil des Systems, das seit Jahren hart an der Rentabilitätsgrenze vor sich hinwirtschaftet. Der Grund für die Misere liegt vor allem in der Sparsamkeit des statistischen Thüringers. Der nimmt nur 86 Liter Wasser pro Tag ab. "Deutschlandweit sind es 121 Liter je 24 Stunden", hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden errechnet. Mit den Jahren ist aus diesem Missverhältnis ein betriebswirtschaftlicher Teufelskreis entstanden. Denn schon heute bezahlen die beiden Zweckverbände Nord-Ost und Südthüringen aufgrund langjähriger vertraglicher Verpflichtung pro Jahr 20 Millionen Kubikmeter mehr, als sie selbst an die kommunalen Zweckverbände weiterverkaufen können. Die überflüssige Menge wird in der Kalkulation natürlich auf den Abgabepreis draufgeschlagen. Der Fernwasserpreis steigt.

Für manche Kommunen ist es daher billiger geworden, die eigenen Grundwasserbrunnen wieder zu aktivieren. Als Folge verkaufen die Fernwasserzweckverbände immer weniger Wasser zu immer höheren Kosten. Derzeit liegt der Abgabepreis in Südthüringen bei 1,58 Mark, im Zweckverband Nordost sogar bei fast zwei Mark. Konkurrenzfähig wären Angebote irgendwo zwischen einer Mark und 1,20 Mark. Das Land sieht Handlungsbedarf.

Gutachten empfiehlt Aus für Weida-System

  In schönstem Behörden-Deutsch berichtete die Landesregierung jüngst dem Landtag von ihren Plänen: "Die In- und Außerbetriebnahme von Speichervolumina sowie die Überarbeitung von Bewirtschaftungsplänen mit den zu erwartenden Folgen für den Umfang der Speicherräume werden, wenn die einschlägigen Prüfungen vorgenommen und - bei daraus folgenden Ergebnissen - entsprechende Entscheidungen getroffen werden, zu einer deutlichen Veränderung der gesamten Rohwasservorhaltemenge führen." Im Klartext heißt das: Schon bis 2010 sollen die ersten Stauseen für die Trinkwasserversorgung aufgegeben werden. Im Gespräch sind besonders das Talsperrensystem Weida, Zeulenroda, Lössau. Langfristig spätestens wenn die nächste Sanierung fällig wird - läuft das wohl auf einen Rückbau der Staumauern hinaus.

  Doch das allein wird die Finanzprobleme nicht lösen, haben Experten dem Umweltministerium in einem Gutachten dargelegt. Schließlich wird bis zum Jahr 2010 zusätzlich der Riesenstausee Leibis ans Netz der Fernwasserleitungen gegangen sein. Nochmals 9,4 Millionen Kubikmeter Trinkwasser drängen dann auf den thüringenweit ohnehin übersättigten Markt.

  Umweltminister Volker Sklenar hat sich daher auf die Suche nach "Optimierungspotenzialen" begeben. Neben der Aufgabe und dem langfristigem Rückbau von Talsperren schlägt er vor, "Talsperrenverwaltung und Zweckverbände zu koppeln". Das ist eine unverfängliche Umschreibung für eine Zusammenlegung. Immerhin haben Sklenars Experten errechnet, dass eine solche Fusion "pro Jahr Einsparungen von fast 25 Millionen Mark mit sich bringen könnten". Suhls Oberbürgermeister Martin Kummer ist als Vorsitzender des Südthüringer Zweckverbands allerdings strikt gegen eine solche Lösung. Die 1,20 Mark schaffen wir auch, indem wir die Südthüringer Talsperren in Eigenregie übernehmen", sagt er. So stellen etwa die benachbarten Schmalkalder ab 2003 von Grundwasser-Brunnen auf Fernwasser um und werden damit pro Jahr rund zwei Millionen Kubikmeter zusätzlich abnehmen. Wenn wir mehr verkaufen, senkt das den Preis für alle anderen", so Kummer. Er spricht von seinem Verband als "Solidargemeinschaft". Doch offenbar sollte die Solidarität auf Südthüringen beschränkt . bleiben. Eine Fusion mit den noch ärmeren Nordostthüringer Verwandten lehnt Kummer jedenfalls ab.

Altschulden drucken auf den Wasserpreis

  Die Landesregierung drängt jedoch auf eine landesweite Konsolidierung der kaum noch wirtschaftlichen Fernwasserversorgung. Sogar die Freistellung von Altschulden in dreistelliger Millionenhöhe liegt als Angebot auf dem Tisch. Nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz verteuern die Verbindlichkeiten aus DDR und Wendezeiten jeden Liter Fernwasser um bis zu 20 Pfennig. "Nur über den Preis lassen sich neue Kunden gewinnen", weiß auch Volker Sklenar. Kein kommunaler Zweckverband schließe seine eigenen Brunnen, um für mehr Geld Fernwasser einzukaufen - selbst dann nicht, wenn das Brunnenwasser von schlechterer Qualität ist.

  Schon heute stützt das Umweltministerium den Fernwasserpreis mit jährlich 10,5 Millionen Mark. Denn die Talsperren sind für die Gesamtversorgung des Freistaats mit Wasser unverzichtbar. In Thüringen hängen die Duschen, Wasserhähne und Toilettenspülungen von 1,36 Millionen Einwohnern völlig oder teilweise vom Fernwassernetz ab. Suhl, Meiningen, Sömmerda und Gotha versorgen sich beispielsweise ausschließlich über den Zweckverband Südthüringen. Und nicht nur Suhls Oberbürgermeister Kummer fürchtet sich vor einer Zwangsfusion durch das Land. "Eine kalte Enteignung darf es nicht werden", warnt dann auch der Vize-Geschäftsführer beim Städte- und Gemeindebund Ralf Rusch. Schließlich halten die Kreise und Kommunen nicht unbeträchtliches Eigentum in den Zweckverbänden. Doch auch beim Städte- und Gemeindebund weiß man, dass das schönste Eigentum wertlos ist, wenn Schulden in der gleichen Höhe dagegen stehen. Verhandlungsbereit sind daher alle Seiten. Bis zum Herbst soll dem Landtag das Ergebnis der Beratungen mitgeteilt werden.

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