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Thüringer Allgemeine, Seite Thüringen, 07. März 2003

Versickert und versumpft

Viele Beiträge für Kanäle und Straßen fußen auf seltsamen Berechnungen und Verträgen

Gestern protestierten wieder hunderte aus allen Teilen Thüringens vor dem Landtag gegen ihre horrenden Bescheide für Wasser, Abwasser oder den Straßenbau. Auch wenn die Misere viele, sehr unterschiedliche Ursachen haben mag eine davon wird immer wieder genannt: Fehlkalkulation.

Von Martin DEBES

Menschen schreien sich die Gesichter rot, pusten in Trillerpfeifen und schwenken erregt Plakate mit immer wieder neuen Kombinationen der Worte Wasser, Beiträge, Politiker, Verbrecher, Ruin.

Dirk Meisinger steht leise, ohne Pfeife und ohne Plakat am Rand der Demonstration. Er ist aus Lengefeld angereist, einem Dorf im Weimarer Land, unweit der Stadt Blankenhain. Meisinger, 46 Jahre alt und Stadtplaner von Beruf, stammt eigentlich aus Kassel. Ein halbes Dutzend Jahre arbeitete er dort als Fachmann für Dorfentwicklung, bis er seine Frau kennen lernte und zu ihr nach Thüringen ging.

Das Dorf, in das er zog, hatte bereits seine Entwicklung hinter sich:- Straßen saniert, unterm teuren Pflaster neue Kanäle und Wasserleitungen und, zwei Orte weiter, eine große Kläranlage. Das alles werde sie kaum etwas kosten, hatte man den Lengefeldern nach der Wende erzählt. Es gebe ja Fördermittel.

Tatsächlich flossen allerlei öffentliche Gelder. "Doch wohin genau, das wissen wir nicht", sagt Meisinger. Er hat als Vertreter der örtlichen Bürgerinitiative Akten eingesehen und fand viele Zahlen, die nicht zueinander passten. Etwa die Hälfte der in Wasser und Abwasser investierten knapp sechs Millionen Euro Fördergelder, sagt er, sei nicht bilanziert, also "irgendwie versickert". Trotzdem sollte man nun in Lengefeld und den anderen Orten der Einheitsgemeinde Blankenhain zahlen - mal 200, mal 20 000 Euro.

Selbst wenn das völlig überschuldete und zwangsverwaltete Blankenhain ein Sonderfall wäre, es ist dennoch ein Beispiel für das, was auch anderswo in Thüringen geschah. Meisinger hat in den Unterlagen, die daheim ein ganzes Regal füllen, auch einen Vertrag liegen.

Der wurde 1997 zwischen der T/ABG GmbH und einer ARA GbR geschlossen. Bei der T/ABG handelt es sich um eine Tochter der Firma GKE aus Hannover, die für Blankenhain das Abwassersystem aufbaute. ARA wiederum pachtet von der T/ABG alle Anlagen, wobei dieselbe T/ABG mit der Stadt Gesellschafter der ARA ist. Das Ergebnis dieses Konstrukts: Fördermittel wurden über die T/ABG an die GKE geleitet, die sodann mit diesem Geld baute und doch im Besitz der Anlagen blieb.

Die Stadt hat keine Kontrolle über die Wasser- und Abwasseranlagen, bezahlt aber Pachtzins von über einer Million Euro im Jahr - und bürgt für die Kredite. "Das Ganze", meint Meisinger, "ist wie eine Lizenz zum Gelddrucken."

Eine Lizenz, die auch in anderen Gegenden gilt. Bei Eisenach etwa versucht sich die Einheitsgemeinde Hörselberge aus dem Vertrag mit der dortigen GKE-Tochter zu klagen, bislang ohne Erfolg. Und auch in Königsee bei Rudolstadt, das zum Gebiet des Zweckverbands Wazor gehört, ist die GKE aktiv.

Vielleicht hat die letztere Variante zu tun mit einem gewissen Bernd Lange, auf den die Königseer nicht besonders gut zu sprechen sind. Denn Lange war immer dabei, wenn investiert wurde bei Wazor. Anfangs kontrollierte er als Kommunalaufseher den Aufbau des Zweckverbands, später verdiente er als Berater der von Wazor beauftragten Firmen mit.

Auch für Meisinger ist Lange kein Fremder; er kennt ihn als Vertreter von T/ABG und GKE. Er habe, sagt der Städteplaner, Lange zu dem ungewöhnlichen Firmenkonstrukt und den fehlenden Millionen befragt, aber keine Antwort bekommen.

Bernd Lange, der einst in der SED-Bezirksleitung gearbeitet haben soll, will dazu am Telefon nichts sagen - außer: Alles, was über ihn verbreitet werde, seien "schamlose Lügen".

Dann legt er auf.

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