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23. November 2001

Az. 5 T 657/ 01 LG Gera
(betrifft: Wasser- und Abwassergebührenbescheid 1999)

Landgericht Gera erkennt für 1999 keine Möglichkeit privatrechtlichen Handelns des WAV anstelle von Gebührenbescheiden

Wappen

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Wasser- und Abwasserverband Kahla und Umgebung (WAV), vertr. d. d. Verbandsvorsitzenden, Hans-Peter Perschke,
Beschwerdeführer und Kläger,

g e g e n

..............., 07768 Kahla,
Beschwerdegegner und Beklagte,
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera am 23. 11. 2001 beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stadtroda vom 9. 10. 2001 (Az. 2 C 589/01) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger. ...

G r ü n d e:

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung von Kosten für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, für das Jahr 1999. Der Kläger erließ hierzu keinen Gebührenbescheid, sondern stellte den Beklagten am 18.2.2000 eine Rechnung in Höhe von 541,01 DM.

In einem Verwaltungsstreitverfahren ... hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht am 16.11.1999 ... die Beschwerde des hiesigen Klägers gegen den erstinstanzlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera mit der Begründung zurückgewiesen, dass der hiesige Kläger rechtlich nicht existent sei und demzufolge auch nicht rechtmäßig Satzungen und Verwaltungsakte habe erlassen können. ...

Der Kläger vertritt die Auffassung, aufgrund seiner Nichtexistenz als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Jahr 1999 könne er keine Gebühren erheben. Es bestehe allerdings zwischen den Streitparteien ein Versorgungsvertrag über die Lieferung von Wasser und die Entsorgung des Abwassers, welcher durch schlüssiges Handeln zustandegekommen sei.

Demgegenüber vertreten die Beklagten die Auffassung, die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung müsse zwingend durch Körperschaften des öffentlichen Rechts erfolgen. ...

Das Amtsgericht Stadtroda hat mit Beschluss vom 9.10.2001 den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Gera verwiesen. Zur Begründung hat das erstinstanzliche Gericht ausgeführt, etwaige Fehler der Gründung des Zweckverbandes berührten die Rechtmäßigkeit der Beitrags- und Gebührenbescheide nicht. ... Das bloße Absehen von Bescheiden könne nicht in einen zivilrechtlichen Vertrag umgedeutet werden.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. ...

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG. Vielmehr ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art ... vor, für die keine Zuweisung in einen anderen Rechtsweg gegeben ist.

Bei der Prüfung ... ist vom Sachvortrag des Klägers auszugehen. ... Hierbei maßgeblich ist die wirkliche vom Gericht ermittelte Natur des behaupteten Anspruchs - nicht die vom Kläger behauptete Rechtsnatur. ...

Die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung sind öffentlich-rechtliche Aufgaben. ...

Der Kläger als Zweckverband ist eine solche Körperschaft des öffentlichen Rechts. Weiterhin möglich ist ..., dass sich die Kommune zur Erfüllung dieser Aufgaben Dritter bedient. Dies kann über Betreiberverträge mit privaten Unternehmen erfolgen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Gemeinde in jedem Fall nach außen verantwortlich bleibt...

Der Kläger kann sich nicht auf die rechtliche Position zurückziehen, weil er im Jahr 1999 rechtlich nicht existent war, darf er nunmehr im privatrechtlichen Wege über die Konstruktion eines Vorverbandes und eines konkludent geschlossenen Liefervertrages die ausstehenden Gebühren mittels Rechnung einziehen.

Dem widerspricht das Gebaren des Klägers in den Jahren vor 1999 sowie im Jahr 2000. ...
Der Kläger hat gerade nicht beabsichtigt, ... Benutzerverhältnis ... privatrechtlich auszugestalten. Ist nämlich die Benutzung durch eine Satzung geregelt und nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen, so handelt es sich grundsätzlich um ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. ...

Der Kläger hat ... eine Gebührensatzung zur Wasserversorgungssatzung und ... eine Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung erlassen. ...

Insoweit ist auch der "Grundsatz der Formstrenge des öffentlichen Rechts" zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz ist im öffentlichen Recht zum Schutz des Bürgers entwickelt worden. Hoheitliche Aufgaben und Kompetenzen gehen grundsätzlich nur dann auf den Zweckverband über, wenn alle formellen und materiellen Gründungsvoraussetzungen eingehalten worden sind ... Daraus folgt gleichzeitig, dass nicht ... durch die Hintertür bei rechtlicher Nichtexistenz des Zweckverbandes dieser nunmehr als privatrechtlicher "Vorverband" auftreten kann und das Entgelt für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung auf der Grundlage eines privatrechtlichen Liefervertrages einziehen kann. ...

Die erstinstanzliche Entscheidung ist dahingehend zu konkretisieren, dass ... die rechtliche Existenz eines Zweckverbandes allein von der rechtsbegründenden Bekanntmachung der Verbandssatzung abhängt. ... Da betreffs des Klägers aber gerade die Bekanntmachung fehlerhaft war, konnte dieser auch keine Gebührenbescheide erlassen. ...

Obige Ausführungen bedeuten selbstverständlich nicht, dass der Bürger aufgrund der rechtlichen Nichtexistenz des Klägers kostenlos mit Wasser zu versorgen war bzw. Abwasser kostenlos zu beseitigen war. Entweder die Gemeinde erhebt selbst die Gebühren oder es wird ein privatrechtlicher Betreibervertrag zwischen dem Zweckverband (als "Vorverband") und der Gemeinde geschlossen ... Für letzteres fehlt es aber an jeglichen Anhaltspunkten. Insbesondere ist aus der vom Kläger gelegten Rechnung vom 18.2.2000 nicht ersichtlich, dass der Kläger aufgrund eines Betreibervertrages mit der Stadt Kahla gehandelt hat. ...

Die öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist nicht verfassungsrechtlicher Art. ...


Platzek         Grüneberg         Rühle


Bemerkung: Hervorhebungen durch die Redaktion.

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