THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT

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Pressemitteilung
25. 02. 2004

Grundsatzurteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts zu Erstattungsansprüchen nach fehlgeschlagener Zweckverbandsgründung

Der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts hat heute in einem Grundsatzurteil über Folgen einer fehlgeschlagenen Zweckverbandsgründung entschieden. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob ein Zweckverband - hier der Wasser- und Abwasserverband Kahla und Umgebung  - einem Grundstückseigentümer die von diesem gezahlten Wasser- und Abwassergebühren erstatten muss, wenn sich später herausstellt, dass der Zweckverband nicht wirksam entstanden ist. Der Senat hat festgestellt, dass der Gebührenzahler zwar einen solchen Erstattungsanspruch hat. Dem Zweckverband steht jedoch dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die von ihm erbrachten Leistungen zu, die er gegen den Erstattungsanspruch des Gebührenzahlers aufrechnen kann.

Der Kläger hatte den an ihn gerichteten Gebührenbescheid aus dem Jahr 1997 für das Verbrauchsjahr 1996 angefochten; er hatte die Gebühren aber auf Grund eines Vorausleistungsbescheides bezahlt. Im Jahre 2000 hob der Zweckverband den Gebührenbescheid auf, nachdem das Thüringer Oberverwaltungsgericht - in einem anderen Verwaltungsstreitverfahren - Zweifel an der wirksamen Entstehung des Zweckverbands deutlich gemacht hatte. Der Zweckverband lehnte jedoch eine Erstattung der gezahlten Gebühren ab und erklärte, die von ihm bis zum 31.12.1996 erbrachten Leistungen seien mit den Zahlungen des Klägers abgegolten worden, so dass für das Abrechnungsjahr 1996 keine Forderungen mehr gegenüber dem Kläger bestünden. Der Kläger verlangte dagegen weiterhin Erstattung der gezahlten Gebühren.

Das Verwaltungsgericht Gera gab der Klage statt und verurteilte den Zweckverband zur Erstattung der Gebühren. Einen Anspruch des Zweckverbands gegen die Kläger zur Abgeltung der von ihm erbrachten Leistungen erkannte es nicht an. Ein solcher Anspruch könne dem Beklagten nicht zustehen, weil er nicht als Zweckverband mit der Befugnis zur hoheitlichen Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung entstanden sei. Anspruchsberechtigt seien insoweit nur die einzelnen Gemeinden, die Träger dieser hoheitlichen Aufgaben und Befugnisse geblieben seien. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben der Zweckverband und der Vertreter des öffentliches Interesses die Berufung beantragt, die vom Senat zugelassen worden ist.

Im Berufungsverfahren hat der Senat jetzt ein "Grundurteil" erlassen, d. h., er hat zunächst nur dem Grunde nach über das Bestehen der wechselseitig geltend gemachten Ansprüche entschieden. Dabei hat er die erstinstanzliche Entscheidung insoweit bestätigt, als er ebenfalls feststellt, dass der Kläger dem Grunde nach die Erstattung der von ihm gezahlten Gebühren verlangen kann. Der Senat kommt aber anders als das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass der beklagte Zweckverband seinerseits dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen für die dem Kläger gewährten Leistungen der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung hat, den er gegen den Erstattungsanspruch des Klägers aufrechnen kann. In der mündlichen Urteilsbegründung führte der Senatsvorsitzende unter anderem aus, dass auch ein fehlerhafter Zweckverband kein rechtliches Nichts sei, sondern eine teilrechtsfähige öffentlich-rechtliche Körperschaft eigener Art, die zwar keinerlei hoheitliche Befugnisse habe, die aber zur Rückabwicklung der in der Vergangenheit eingegangenen Leistungsbeziehungen befugt sei. Die einzelnen Gemeinden seien weder tatsächlich noch rechtlich zur Rückabwicklung der Rechtsbeziehungen in der Lage, die der Zweckverband über Jahre hinweg unter allseitiger Annahme seiner wirksamen Entstehung eingegangen sei. Der Senatsvorsitzende wies darauf hin, dass dies sinngemäß den Lösungen entspreche, die auch im Gesellschaftsrecht für das Problem der Rückabwicklung nach fehlgeschlagenen Gesellschaftsgründungen gefunden worden seien. Da die einzelnen Gemeinden die Aufgaben der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung tatsächlich nicht wahrgenommen und keine Leistungen erbracht hätten, stünden ihnen keine Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zu. Sie wären auch rein tatsächlich gar nicht in der Lage, solche Ansprüche zu berechnen und zu belegen. Die Rechtsordnung müsse aber gewährleisten, dass eine Rückabwicklung der vom fehlerhaften Zweckverband eingegangenen Leistungsbeziehungen in beiden Richtungen erfolgen könne. Es würde allgemein geltenden Grundsätzen des Rechts widersprechen, wenn die Rückabwicklung nur zu Gunsten des Klägers, nicht aber auch zu seinen Lasten möglich wäre. Der Kläger könne nicht erwarten, dass er die bezogenen Leistungen auf die Dauer unentgeltlich behalten dürfe. Der Vorsitzende wies zur Klarstellung darauf hin, dass das Grundurteil nur Wasser- und Abwassergebühren betreffe, nicht dagegen Beiträge.

Über die Höhe der dem Grunde nach festgestellten beiderseitigen Ansprüche ist mit dem Grundurteil noch nicht entschieden. Das Berufungsverfahren wird mit dem "Betragsverfahren" fortgeführt.

Eine schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Februar 2004 - 4 KO 703/01 -


Bemerkung: Hervorhebungen durch die Redaktion.

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