Klär-Werk 2/01

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 30. August 2001

- Gemeinde St. Gangloff gegen den ZWA bzw. Freistaat Thüringen -

(Aktenzeichen - 4KO 199/00)

Zuerst möchte ich kurz schildern, weshalb es überhaupt zu diesem Rechtsstreit gekommen ist. Die Gemeinde St. Gangloff hat Anfang der neunziger Jahre, wie viele Gemeinden hier in den neuen Bundesländern, ein Gewerbegebiet schaffen wollen. Die Errichtung einer Kläranlage gehörte zu den Auflagen, die die Gemeinde erfüllen musste. Also wurde mit dem Bau begonnen - man hatte es damals sehr eilig. Später kam es zur Gründung des ZWA.

Auf einer der ersten Sitzungen des Zweckverbandes wurde beschlossen, dass die Wasser- und Abwasseranlagen der Gemeinde vom Zweckverband übernommen werden, die Schulden, die auf diesen Anlagen lagen, aber nicht. Der Gemeinderat stimmte deshalb einer Übergabe der Anlagen nicht zu. Dies führte zu einer paradoxen Situation: St. Gangloff war für Kläranlage und die vorgelagerten Anlagen verantwortlich und hat deren Betrieb gewährleistet (auch finanziell), während der ZWA die Gebühren kassierte. So konnte der Schuldenberg durch die Gemeinde nicht mit den dafür vorgesehenen Gebühren bzw. Beiträgen abgebaut werden.

Da dies überdies nicht die einzigen Querelen waren, beschloss der Gemeinderat den Austritt aus dem Verband. Kommunalaufsicht und Landesverwaltungsamt lehnten dies ab. Nachdem auch Aussprachen im Zweckverband nicht den gewünschten Erfolg brachten, blieb nur der Weg der Klage.

Das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Gera sprach der Gemeinde ein Sonderaustrittsrecht wegen Gründungsmängeln zu, ging aber trotzdem von der wirksamen Gründung eines Zweckverbandes aus. Dagegen legten sowohl die Gemeinde, der ZWA als auch das Land Thüringen Berufung ein. So kam es dann am 30. August 2001 in Weimar zur Verhandlung am Oberverwaltungsgericht.

Die Richter haben es sich nicht leicht gemacht und alle Möglichkeiten in Betracht gezogen, die dazu führen könnten, dass die Gemeinde nicht (mehr) Mitglied des ZWA ist. Dies sind:

Die Richter untersuchten die Geschichte des ZWA vom Gründungsablauf bis heute und haben alle relevanten Beschlüsse, Satzungsveröffentlichungen usw. zeitmäßig aufgegliedert.

Des Weiteren wurden die gesetzlichen Möglichkeiten eines Austritts erörtert. Im Urteil kam der 4. Senat zu der Feststellung, dass der ZWA zu keinem Zeitpunkt wirksam entstanden war. Die nach § 19 des Gesetzes zur kommunalen Zusammenarbeit (GKG) notwendige Bekanntmachung einer Zweckverbandssatzung und die dazugehörige Genehmigung der Aufsichtsbehörde im Amtsblatt war nicht in der gesetzlich erforderlichen Form erfolgt.

Die Veröffentlichung der Verbandssatzung vom 24. November 1992 in den Amtsblättern Dezember 1992 und Januar 1993 war unvollständig. Es fehlten die gesetzmäßig vorgeschriebenen Anlagen "Auflistung der zugehörigen Gemeinden" und "Plan des Versorgungsgebietes". Die vorangestellte Liste der Gemeinden könne nicht mit der entsprechenden Sicherheit als Anlage 1 gewertet werden (unter anderem falsche Überschrift), außerdem ständen die Zeiten (Datum) der Zustimmung der Gemeinden vor dem Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze (GKG) und der Satzung selbst.

Die "gestreckte" Bekanntmachung (in zwei Amtsblättern) sowie die dadurch etwaige rechtliche Unsicherheit bezüglich des Datums des Wirksamwerdens der Gründung wären nicht ausschlaggebend für das Urteil gewesen. Die drei Versuche der Heilung bzw. Versuche der Neugründung sind fehlgeschlagen (8. Februar 1995, 2. August 1995 und 13. Dezember 1996), weil stets "Änderungssatzung" im Namen stand bzw. Bezug auf eine vorige Satzung (die es nicht geben konnte, weil kein Verband entstanden war) genommen worden war. Außerdem muss eine Gründungssatzung von den Mitgliedsgemeinden und nicht von der Verbandsversammlung beschlossen werden. Während der Sitzung wurden weitere wichtige Anmerkungen durch den Senat bezüglich Verbandsrecht gemacht: In Thüringen ist nach jetziger Gesetzeslage keine rückwirkende Heilung möglich.

Die Gründung eines Zweckverbandes ist im vorliegenden Fall auf zwei Wegen möglich: Der Landrat veröffentlicht Satzung mit Anlagen und Genehmigung neu. Das Problem hierbei ist, dass jede Gemeinde erneut mit Erfolg klagen kann, weil die Zustimmung der Gemeinden fehlen. Es wird eine Satzung erstellt, alle Mitgliedsgemeinden (Gemeinderäte) stimmen dieser Satzung zu und diese wird danach entsprechend bekanntgemacht (vom Senat vorgeschlagen).

Unser Landrat hat sich für Variante 1 entschieden. Im Amtsblatt wurden dabei Beschlussfassungstermine von mehreren Gemeinden aufgeführt, die vor Inkrafttreten des GKG liegen (rechtlich sehr bedenklich).

Zur ersten Mitgliederversammlung des ZWA am 25. September 2001 waren verschiedene Gemeinden nicht durch ihre Räte vertreten, weil diese erst die (Anm. d. Red.: schriftliche) Urteilsbegründung abwarten wollen und weil es bisher keine konkrete Auseinandersetzungsbilanz gibt, so dass die Gemeinden praktisch gar keine Entscheidungsgrundlage haben, ob sie dem Verband beitreten oder nicht.

Ohne entsprechende Beschlüsse der Gemeinderäte steht der Verband aber auf "tönernen Füßen".

B. Helm
St. Gangloff


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